Thema: Bilderbücher zum Wohlfühlen


Quentin Gréban: Habt ihr schon vom Wolf gehört?
Die Macht von Gerüchten steht im Zentrum dieses Bilderbuches, das rein in der Tierwelt verortet ist. Bereits am Vorsatzpapier wird eine Fülle an Bauernhofbewohner_innen gezeigt, die ängstlich in alle Richtungen auseinanderstieben. Warum deren Mienen so angsterfüllt sind, geht aber erst aus dem eigentlichen Text hervor. Dieser setzt mit einer intermedialen Anspielung auf Rotkäppchen und der Frage ein, ob die Lesenden wissen, warum der Wolf einfach böse ist. Einer Legende gleich wird erzählt, dass ein Lamm das Lächeln einer Wölfin falsch interpretierte. Und dann nahm die Geschichte ihren Lauf: Das fehlgedeutete Lächeln wird rasch weitererzählt und damit kommt die Lawine ins Rollen. Durch das Weitererzählen und Übertreiben von Gans, Esel oder Maus wird aus der freund-lichen Wölfin ein brutales Ungeheuer. Die großflächigen Illustrationen werden einerseits von Tieren mit besorgt-ängstlichem Blick und andererseits von der Verwandlung der Wölfin dominiert, die immer wilder und bösartiger dargestellt wird. Grében schafft damit ein Bilderbuch über die Gefahr von Gerüchten und den Schneeballeffekt, von dem auch Erwachsene noch etwas lernen können – denn nicht nur Tiere neigen manchmal zu Übertreibungen.
Aus d. Franz v. Seraina Maria Sevi.
Orell Füssli 2016.
32 S., ab 4 Jahren.
Myriam Ouyessad/Ronan Badel: Der Wolf kommt nicht
Häschen muss nach seinem/ihrem Geburtstag ins Bett, und wie das für kleine Hasen-Kinder so üblich ist, wird die Mutter vor dem Schlafen noch mit Fragen gelöchert. „Mama, bist du dir sicher, dass der Wolf nicht kommt?“ ist hier jene begehrte Information, der anschließend in reiner Dialogform nachge-gangen wird: In zwei unterschiedlichen Textfarben (Häschen rot / Mutter blau) werden alle Eventualitäten und Szenarien abge-arbeitet, warum der Wolf nicht kommen wird. Die Stadt ist zu groß, der Wald zu weit weg, ein Wolf kann auch keinen Fahr-stuhl benutzen und außerdem gibt es fast keine Wölfe mehr …
Die Miene des Häschens: von Doppelseite zu Doppelseite ängstlicher und verzweifelter, während die Fragen immer detaillierter ausformuliert werden. Die Erwartungshaltung der Lesenden wird geschickt ausgetrickst, als am Ende – allen Beschwichtigungsversuchen der Mutter zum Trotz – der Wolf vor der Wohnungstür steht …
Die Illustrationen überzeugen dabei zum einen durch die schlichte Szenerie im Hasen-Kinderzimmer auf der linken, und zum anderen die blühenden Fantasiebilder, wie der Wolf sich seinen Weg zu ihnen bahnen könnte, auf der rechten Seite.
Aus d. Franz. v. Ina Kronenberger.
Aus d. Franz. v. Ina Kronenberger.
Gerstenberg 2020.
32 S., ab 4 Jahren


Lorenz Pauli und Kathrin Schärer: böse
Wir wissen: „Das Böse ist immer und überall!“ Und es macht auch vor der Tierwelt nicht halt. Wie humorvoll man mit dem Thema umgehen kann, zeigt dieses Bilderbuch des erfolgreichen Duos Pauli und Schärer/Schärer.
Kathrin Schärer versieht in gewohnter Manier die tierischen Protagonist_innen mit einer liebevollen wie grotesken Mimik, sodass man diesen im Grunde jede Boshaftigkeit nachsieht. Durch die reduzierte Ästhetik des Bauernhof-Settings, das viel Weißraum lässt, ist der Fokus umso stärker auf die tierischen Akteur_innen gerichtet, die sich gegenseitig im Streiche-Spielen übertrumpfen möchten. Dabei wird strikt hierarchisch vorgegangen: Katze gegen Maus, Hund gegen Katze …
Lorenz Pauli setzt das Tückische gekonnt im Text um: „Ich bin ein braver Hund. Meistens oder fast immer." Das Spiel mit der Bösartigkeit wird von Schwein, Ziege, Taube und schließlich einer Katze erprobt und ordentlich ausgekostet. Als aber das Pferd auf die Maus tritt, sind alle fassungslos: Zum Glück handelt es sich aber doch nur um die liebste Gemeinheit der Welt.
Atlantis 2016.
32 S., ab 4 Jahren.
Jörg Mühle: Zwei für dich, einer für mich
Drei Pilze werden vom Bären im Wald gefunden, vom Wiesel in der voll eingerichteten Waldküche in die Pfanne geworfen und mit Salz, Pfeffer und Petersilie gewürzt. Wie es halt so üblich ist. Aber dann: Drei Pilze durch zwei hungrige Mäuler zu teilen ist nicht gerade eine leichte Aufgabe. Immerhin ist der Bär groß und muss viel essen. Das Wiesel muss aber noch wachsen. Und es hat die Pilze zubereitet. Wer bekommt nun also den verflixten dritten Pilz? Mit dem Auftauchen eines unbekannten Dritten in Gestalt eines Fuchses scheint sich der Streit zunächst in Wohlgefallen aufzulösen – wären da nicht die drei Walderdbeeren, die das Wiesel eigentlich als Nachtisch vorgesehen hatte …In situationskomischen Illustrationen erzählt Jörg Mühle das Sprichwort „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“ auf unkonventionelle Weise neu. Der reduzierte Text in Kombination mit den Illustrationen lässt die Leser_innen schmunzeln und zeigt dabei, dass Endlos-Diskussionen – vielleicht vom eigenen Esstisch bekannt – durch eine dritte Instanz ad absurdum geführt werden können.
Moritz Verlag 2018.
32 S., ab 4 Jahren.
Gökce Irten: Guck gack ga! Wer kommt denn da?
Drei schachspielenden Hühnern schwant nichts Böses, als plötzlich ein riesengroßer Fuß samt Bein auf der Bildfläche erscheint und sie in Angst und Schrecken versetzt. Dessen Ursprung muss schleunigst nachgegangen werden. Mit geballter Hühnerkraft werden verschiedene Versuche gestartet, mit dem Tier auf Augenhöhe zu gelangen; es wird zum Fernrohr gegriffen, Stelzen und Trampolin werden ausgepackt und Stabhochsprung ausgeführt. All diese Annäherungsversuche führen dabei nicht zum gewünschten Erfolg. Begleitet werden die Bemühungen von aufgeregtem Gegacker und jeder Menge „Guck“, „gack“, „gaaaa“, denn ein deutsches Wort sucht man in diesem Bilderbuch der türkischen Illustratorin vergebens. Das braucht es aber auch nicht; denn die Bilder und die unterschiedlichen Geräusche, die die Hennen von Natur aus von sich geben, reichen vollkommen aus, um die Aufregung greifbar zu machen. Und als sich am Ende das monströse Tier der Hennen erbarmt und in die Knie geht, zeigt sich, dass das Problem damit noch lange nicht ausgestanden ist …
Bearbeitet v. Anna Taube.
Magellan 2019.
46 S., ab 3 Jahren.
Heidi McKinnon: Flo & Flügge
Mit einer Abwandlung eines „Hast du mich lieb?“-Buches haben es Lesende hier zu tun. Es steht allerdings die Frage im Raum, wie lange man in einem Eulenleben Freund_innen sein wird. Der/die kleine blaue Flo fragt den/die große_n grün-türkise_n Flügge, ob und unter welchen Bedingungen sie Freund_innen bleiben würden. So werden von Doppelseite zu Doppelseite verschiedene Szenarien durchgespielt: „Flügge, sind wir Freunde“, „Auch wenn ich lila werde“, „Auch wenn ich wieder da wäre … aber als Fledermaus!“ Mit einer Engelsgeduld werden die Fragen vom vermeintlich erwachsenen Tier abgearbeitet. Als Flo aber fragt, ob auch ein dauerhaftes „MIEP“ noch kein Grund gegen eine Freundschaft wäre, wird es sogar dem/der geduldigen Flügge fast zu bunt. Humorig, mit wenig Text – der farblich den Eulen angepasst ist –, dafür mit umso ausdrucks-vollerer Mimik in den Illustrationen (wobei den großen Kuller-augen eine tragende Rolle zukommt), wird herausgearbeitet, dass Freundschaft auch über eher nervige Angewohnheiten hinwegschauen kann, „Weil du DU bist“.
„MIEP?"
Aus d. Engl. v. Anne Taube.
Carlsen 2020.
32 S., ab 3 Jahren.
Rocio Bonilla: Welche Farbe hat ein Kuss?
Minimia, die kindliche Ich-Erzählerin, malt für ihr Leben gerne. Rote Marienkäfer, blauer Himmel, gelbe Bananen und viel mehr wurden bereits von ihr abgebildet, bis sie eines Tages vor der Frage steht, wie denn eigentlich ein so abstraktes Ding wie ein Kuss zu malen sei. Auf der Suche nach Lösungsmöglichkeiten werden der Reihe nach unterschiedliche Farben durchdekliniert. Minimia listet hierbei sowohl ihre konkreten als auch ihre abstrakten, ihre positiven und negativen Farbassoziationen auf. Rot erinnert sie nicht nur an Spaghettisoße, sondern auch an Wut. Gelb ist die Farbe von guten Ideen und Honig, aber leider ebenfalls von Bienen. Auch im Kinderuniversum eher unpopulären Farben wie Braun, Grau und Schwarz wird auf diese Weise Positives abgewonnen. Kontrastiv zu den bunten Farben ist die sympathisch-pfiffig gezeichnete Protagonistin selbst großteils in Schwarzweiß gehalten; und erteilt dem unter vielen Mädchen ihrer Altersgruppe vorherrschenden rosa Glitzer-Trend eine Absage, denn Feen und Prinzessinnen kann sie nicht ausstehen. Da sie sich für keine Farbe entscheiden kann, entschließt sich Minimia schließlich zur Feldforschung: Ein Kuss von Mama bringt des Rätsels Lösung.
Mit „Langweilst du dich Minimia?“ (2019) wird die Geschichte der jungen Protagonistin fortgeschrieben.
Aus dem Span. v. Renate Loew.
Jumbo 2018.
32 S., ab 2 Jahren.
Susanne Isern/Rocio Bonilla: Das hier ist doch kein Dschungel
Paula hat mit einem Tag beschlossen, dass „Nein“ ihr Lieblings-wort und die beste Antwort auf alle Fragen und Anweisungen ihrer Eltern ist. Den Pyjama anziehen ist dabei ebenso mitein-geschlossen, wie das Zimmer aufräumen oder im Bett schlafen. All das und noch mehr wird mit einem einfachen „Nein“ quittiert. Seufzend meint die Mutter, dass es in Paulas Zimmer bald wie in einem Dschungel aussehen werde; doch dann schläft Paula (auf dem Boden) ein und erwacht in einer Traumwelt. Dort findet sie im wahrsten Sinne des Wortes einen Dschungel vor: Das Nil-pferd plantscht in der Badewanne und eine Bärenfamilie treibt im elterlichen Schlafzimmer ihr Unwesen, während Schlange, Waschbär und Co. den Kühlschrank plündern …Die fremden Tiere nehmen all das in Beschlag, was Paula eigentlich für sich beanspruchen will. Rocio Bonilla zeigt in ihren Illustrationen einmal mehr die Welt aus einer kindlichen Perspektive, in der Träume ganz maßgeblich die Realität beeinflussen können, denn „das hier ist doch kein Dschungel“ sagt Paula am Ende des Textes und räumt ihr Zimmer auf.
Aus d. Span. v. Renate Loew.
Jumbo 2020.
40 S., ab 3 Jahren.


Jory John/Benji Davies: Du schon wieder
Es ist Abend. Zeit, ins Bett zu gehen. Zeit, ins Bett zu gehen? Diese beiden Möglichkeiten werden großflächig einander gegenübergestellt: Hier der Bär, der bereits am Entschlummern ist. Da die Ente, hellwach und aufgeputscht von der Lektüre des Buches „101 Wege, wach zu bleiben“. Also: Auf zum Bären, denn es gibt so viel, was man zu dieser Zeit noch miteinander unternehmen könnte – zum Beispiel Kekse backen oder etwas spielen. In jedem aller Fälle dem Bären gehörig auf die Nerven gehen. Vor türkisem Hintergrund werden kleine, karikierende Szenen in den Bildraum gestellt, die zeigen, wie wunderbar es die hyperaktive Ente finden würde, jetzt Karten zu spielen, eine Band zu gründen oder Smoothies zu mixen. Der Bär wimmelt sie übermüdet ab und wirkt schon reichlich erschöpft, als die Ente erneut bei ihm auftaucht. Da hilft nur ein Machtwort! Doch wem nützt es am Ende? Denn was witzig begonnen hat und sich lustvoll steigert, muss natürlich auf eine entsprechende Schlusspointe hinauslaufen. Und wer wollte gerade nochmal schlafen gehen?
Aus dem Amerikan. v. Ebi Naumann.
Aladin 2019.
32 S., ab 4 Jahren.
Olivier Tallec: Das ist mein Baum
Ein großer, in gelbe Umgebung eingebetteter Baum steht am Anfang dieses Bilderbuches. Standfest, mit dunkler Rinde und vielen Zapfen; ein richtiges Prachtexemplar also … und ein orangenes Eichhörnchen, das ihn mit starren Augen umklammert? Das ist sein Baum, sagt das Eichhörnchen, den es zu hegen und pflegen gilt. Sein Baum, der es mit Zapfen versorgt und ihm Schatten spendet – nur ihm, denn warum es ihn mit einem anderen Tier teilen sollte, sieht das Nagetier gar nicht ein. Denn wenn man damit erst beginnen würde, wären der Schatten, die Zapfen und der Baum ja nicht mehr seins. Um diesen Besitzansprüchen gerecht zu werden und sie auch weiterhin zu gewährleisten, beschließt das Eichhörnchen Maßnahmen zu setzen, die sein Eigentum markieren: Eine Mauer ist genau das Richtige, um seinen Baum vor unwillkommenen Gästen zu schützen! Eine Mauer, die so lang ist, dass sie an eine andere Mauer anstößt. Doch … was verbirgt sich hinter der anderen Mauer?
Aus d. Franz. v. Ina Kronenberger.
Gerstenberg 2020.
36 S., ab 3 Jahren.
Terry, Eric und Devan Fan: Projekt Barnabus
Barnabus – halb Elefant, halb Maus – fristet sein Leben in einem Labor unter einem Geschäft mit der Beschilderung „Perfekte Kuscheltiere“, und dort ist der Name Programm. Mit den großen Ohren, den Knopfaugen und dem Rattenschwanz ist er alles andere als perfekt … Der Kontakt zur Außenwelt ist nur durch eine Kakerlake möglich, die die Tierchen bei ihren Glaskuppeln besucht und von den Weiten des „Draußen“ berichtet. Das Leben in diesem Labor wäre ja eigentlich ganz annehmbar, wäre da nicht das bevorstehende Recycling-Prozedere, das die (Kuschel-)Tiere zu perfekten Exemplaren machen soll.
Es gilt zu handeln: Mit geballten Kräften befreit sich eine Schar von skurril (aber deswegen nicht weniger herzig) anzusehenden Tieren aus den Glaskuppeln und bahnt sich ihren Weg in die Freiheit. Besonders sind an diesem Bilderbuch der Fan-Brüder nicht nur die detaillierten Illustrationen in der Kuscheltierwelt, sondern auch das Ende. Denn: die Wesen finden sich nicht etwa in glücklichen Kinderhänden wieder, sie erschließen sich vielmehr den nahegelegenen Park als ihren Lebensraum, wo sie ein selbstbestimmtes Kuscheltierleben führen.
Aus d. Engl. v. Nicola T. Stuart.
Jacoby & Stuart 2020.
72 S., ab 3 Jahren.
Axel Scheffler und Julia Donaldson: Flunkerfisch
Während „Der Grüffelo“ oder das jüngste Werk von Axel Scheffler und Julia Donaldson „Die hässlichen Fünf“ wohlbekannt sind, zählt „Flunkerfisch“ vielleicht zu den weniger berühmten Texten des erfolgreichen Autorin-Illustratoren-Duos.
Auch auf dem Meeresgrund muss der schwimmende Nachwuchs zur Schule gehen; während Peter Pertersfisch, Bertram Barsch und Co. pünktlich um neun Uhr die Schulbank drücken, kommt Flori Flunkerfisch immer wieder zu spät und tischt die abenteuerlichsten Geschichten auf, die seine Verspätung erklären sollen. Nixen oder Riesenkraken kommen darin ebenso vor wie vergessene Schatztruhen. Doch dann geht er eines Tages Fischern ins Netz und erlebt tatsächlich etwas Abenteuerliches. In gewohnt gereimter Form wird hier von Geschichten, die ein Eigenleben entwickeln, erzählt, während allerhand Meeresbewohner_innen mit den für Axel Scheffler typischen Kulleraugen über die Doppelseiten des Bilderbuches schwimmen. Die Illustrationen nehmen dabei unterschiedlich viel Raum ein, füllen ganze Seiten oder werden panelartig neben- und übereinandergestellt, dazu einladend, den Grund des Meeres näher zu betrachten.
Aus d. Engl. v. Martin Auer.
Beltz&Gelberg 2007.
32 S., ab 4 Jahren.
Quentin Gréban: Wolle und ich
Wolle ist der ständige Begleiter eines kleinen, namenlosen Mädchens. Und er ist äußerst hilfreich: Beim Einkaufen hilft er beispielsweise, die schweren Taschen zu tragen. Andere Aktivitäten können aber mitunter schwierig sein. Denn Wolle ist ein Mammut – und Mammuts passen weder gut in Autos, noch gibt es für so große Tiere besonders viele Möglichkeiten beim Versteckenspielen. Aber dafür hat er ganz schnell gelernt, wie man die Toilette benutzt, und er hat auch (fast) gute Tischmanieren.
Der belgische Illustrator Quentin Gréban zeigt die unterschiedlichsten Situationen, die sich ergeben, wenn man ein Mammut als Freund_in hat, und veranschaulicht die dadurch entstehenden großen und kleinen Problemchen z.T. kontrapunktisch in Text und Bild. Jede Doppelseite wird erzählerisch voneinander entkoppelt.
Was erwachsene Leser_innen vielleicht bereits nach wenigen Seiten vermuten, wird auf der letzten Doppelseite aufgedeckt, wenn es heißt: „Manche glauben nicht, dass er echt ist … aber die kennen Wolle nicht!" und darunter ein Plüschmammut abgebildet ist.
Aus d. Franz. v. Nina Bitzer und Anna Katharina Feige.
Jumbo 2020.
36 S., ab 3 Jahren.
Antoine de Saint-Exupéry/Valeria Docampo: Der kleine Prinz. Nacherzählt von Agnés de Lestrade.
Der Text „Le Petit Prince“ oder zumindest das Zitat „Man sieht nur mit dem Herzen gut …“ von Antoine de Saint-Exupéry dürfte jedem und jeder bekannt sein; ebenso die Illustrationen des Autors, die sich vor allem durch den Hut, also den Elefanten im Magen einer Schlange, ins Gedächtnis eingeschrieben haben. Dieses Bild findet sich in dieser Nacherzählung von Agnés de Lestrade allerdings nur ganz unaufdringlich auf der ersten Doppelseite; und auch die grafische Buchgestaltung von Valeria Docampo erinnert nur entfernt an die wohlbekannten Bilder, die dem Text im Original zur Seite gestellt wurden. Die Illustratorin wählt einen anderen, assoziativen Zugang. Der Text wird adressierungsgemäß stark zurückgenommen, orientiert sich im Wortlaut aber stark an der Vorlage. Es sind vor allem die farbenfrohen, zum Teil an eine Phantasiereise erinnernden Bilder im gewohnten Stil der italienischen Illustratorin, die den Ausgangstext weiterdenken und diese Bearbeitung als Bilderbuch in ihrer Eigenständigkeit so besonders machen.
Aus d. Italien. v. Anna Taube.
mixtvision 2019.
56 S., ab 3 Jahren.
Jean-Luc Engelbert. Heute bin ich Ritterin
Ein Mädchen, das vor dem Schlafengehen eine ordentliche Gute-Nacht-Geschichte einfordert, und ein überforderter Papa: Er schlägt eine Prinzessinnengeschichte vor „(In einem rosa Kleid? Igitt!)“ und eine Hexengeschichte „(Ach Papa! Wirklich!)“, aber erst als er seine Tochter zur Ritterin macht, ist sie mit der Auswahl zufrieden. Doch das Mädchen verhält sich als Hauptfigur ihrer Geschichte nicht lange passiv: Immer wieder unterbricht sie, verändert den Plot, korrigiert ihren Vater. Bis sie ihn schließlich selbst in die Geschichte mit hereinholt: „Du nimmst mein Schwert. Und während du die Wachen ablenkst, kann ich entkommen. Schließlich haben wir schon einmal einen Drachen besiegt, Papa!“ Das konsequent Dialogische zwischen Vater und Tochter, das durch unterschiedliche Schriftfarben markiert wird, überzeugt ebenso wie die humorvollen, ganzseitig gestalteten Illustrationen. Auch wenn die Geschichte der Ritterin letztlich nicht mehr logisch zu fassen ist – denn wo mehr als ein_e Erzähler_in eine Geschichte erfindet, scheint wirklich alles möglich …
Aus d. Franz. v. Alexander Potyka.
Picus 2015.
32 S., ab 3 Jahren.
Emily Gravett: Noch mal!
Was für Vorlesende normalerweise ein Kompliment ist, wird der Drachen-Elternfigur (ob Mama oder Papa bleibt offen) irgendwann zu viel: Nochmal! fordert das kleine Drachenkind unerbittlich nach jedem Lesen der Gute-Nacht-Geschichte von Chlodwig, dem Drachen. „Chlodwig, der Drache, leuchtet rot wie Feuer. Zu Bett zu gehen war ihm schon immer schrecklich ungeheuer“, heißt es zu Beginn der Erzählung. Mit jedem Mal Vorlesen wird nicht etwa das Drachenkind, dafür aber das Elternteil immer müder und erschöpfter; und die Geschichte – diesem Gemütszustand angepasst – wird immer kürzer und harmloser, denn der furchteinflößende Drache aus der Gute-Nacht-Geschichte will mittlerweile selbst ins Bett. Ein Umstand, der dem Drachenkind so gar nicht gefällt, bis das Vorlesebuch der Wut des feuerspeienden kleinen Drachen zum Opfer fällt.
Wie in allen Bilderbüchern von Emily Gravett wird lustvoll mit Medialität und Materialität des Buches gespielt – bis hin zu einem durchgestanzten Buchumschlag und einer Prinzessin, die sich aus dem Buch auf den Sammelplatz für Prinzessinnen und Drachen flüchtet …
Aus d. Engl. v. Uwe-Michael Gutzschhahn.
FISCHER Sauerländer 2015.
32 S., ab 4 Jahren.
Britta Sabbag/Maite Kelly/Joëlle Tourlonias: Die kleine Hummel Bommel
Bilderbücher über das Anders-Sein gibt es viele auf dem Markt: Dieses spielt im Reich der Insekten, besser gesagt der geflügelten Insekten, als die Hummel Bommel von Walpurga Wespe und Bino Biene wegen ihrer kleinen Flügel gemobbt wird. Zu Fuß macht sich Bommel auf, um den Grund für ihre kleinen Flügel bei Gisela Grille, Marie Marienkäfer oder Lilli Libelle zu erfragen. Antwort erhält sie dabei keine zufriedenstellende … In leicht philosophischem Ton wird der Frage nachgegangen, warum jemand gut ist, so wie er oder sie ist. Dazu liefert Joëlle Tourlonias Illustrationen, in denen das Menschliche und Tierische miteinander verschwimmen: So macht es sich beispielsweise Ricardo Raupe gerade auf einer Matratze gemütlich, um sich zu verpuppen, oder die Grille spielt Klavier.
„Die kleine Hummel Bommel“ ist nur der erste Teil einer Bilderbuch-Reihe, die sich mit allerhand Themen auseinandersetzt: 2020 ist beispielsweise ganz den gegenwärtigen Problematiken entsprechend „Die kleine Hummel Bommel schützt die Umwelt“ bei arsEdition erschienen.
arsEdition 2015.
32 S., ab 3 Jahren.
Micha Friemel/Jacky Gleich: Lulu in der Mitte.
Revueartiger Tumult prägt das Leben von Lulus Familie: Stelzenkunststücke, Trompeten-Konzerte, Experimente mit Kühlschrankventilatoren und Karton-Helikoptern sowie Badewannen-Abenteuer laufen im bühnenartig präsentierten Bilderbuchraum vor den Augen der Betrachter_innen fast wortwörtlich ab. Und mittendrin: Lulu. Still beschäftigt mit ihren Papierschnipseln und mit leicht angenervtem (um nicht zu sagen bösem) Blick. Ungehört, während das Baby plärrt; ungesehen, während Kaspar von Oma bejubelt durch die Wohnung tobt, die Illustratorin Jacky Gleich mit Hilfe weniger Raum-Requisiten variiert. Scheinbar unspektakulär und minimalistisch werden Alltagsszenen aufgegriffen und durch zahlreiche witzige Details mit den Gefühlen eines Sandwichkindes parallelgeführt. Ist man weniger wert, wenn man sein Dasein wie der Schinken zwischendrin fristet? Oder ist man vielleicht doch … die goldene Mitte?
Hanser 2020.
32 S., ab 4 Jahren.