Thema: Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis 2019
Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis der Deutschen Bischofskonferenz geht 2019
an Steven Herrick
Der australische Autor Steven Herrick und der deutsche Übersetzer Uwe-Michael Gutzschhahn erhalten den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis der Deutschen Bischofskonferenz für das im Theinemann Verlag erschienene Buch „Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen“ (OT "By the River"). Die Jury unter Vorsitz von Weihbischof Robert Brahm (Trier) hat das diesjährige Preisbuch aus 190 Titeln ausgewählt, die von 70 Verlagen eingereicht wurden. Das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro wird zwischen dem Autor (4.000 Euro) und dem Übersetzer (1.000 Euro) geteilt.
Der Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis wird in diesem Jahr zum 30. Mal vergeben. Der Vorsitzende der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Gebhard Fürst (Rottenburg- Stuttgart), zeichnet die Preisträger am 23. Mai 2019 bei einem Festakt in Hamburg aus..
Preisträger
Steven Herrick: Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen
Aus dem australischen Engl. v. Uwe-Michael Gutzschhahn. Thienemann 2018.
Es war nicht Gott.
Es war nicht Gott.
Er war nicht da.
Er war beschäftigt.
Er war in einer anderen Stadt,
meilenweil fort.
Es war nicht Gott.
Oder?
Gegen Ende des Romans wird in dessen rhythmisierenden Stil die Theodizeefrage gestellt. Ist es Gott, der Knöpfte drückt, Lastwägen in den Fluss lenkt und „den Krebs / so tief in Mrs Evans hineinsetzte, / dass sie Blut / über den Ladentisch spuckte“? Der Gedankenstrom, dem das14-jährige Ich Harry dabei folgt, entspricht dem Fluss, der den Roman wortwörtlich durchfließt und sowohl die Topografie als auch die literarische Motivik der Ereignisse bestimmt – dem Originaltitel „By the River“ entsprechend.
An diesem Fluss lebt Harry mit seinem Vater und seinem jüngeren Bruder Keith und an diesem Fluss findet Harry hinein ins Leben. Dem Moment des Staunens folgend erforscht er die Flusslandschaft gleichermaßen wie die Menschen, die hier leben. Und kehrt immer wieder zurück zum Schwemmgebiet des Pearce Swamp. Dort lässt Harry sich gerne im Wasser treiben, sieht hinauf in den „vollkommen wolkenlosen Himmel“ und lauscht seinem Atem; dort ist Harry alleine „mit dem Geist / des Sumpfes / irgendwo bei den Trauerweiden“. Dort also zeigt sich situativ und literarisch eindringlich, dass der Fluss das Werden und Vergehen markiert, dass er gibt, aber auch nimmt: Harrys Mutter ist an den Ufern des Flusses bei einem Autounfall gestorben, als Harry sieben Jahre alt war. Und Linda Mahony, die Harry damals mit ihrer Zuversicht, ihrer Vertrauen auf einen Himmel und ihrem bittersüßen Orangenkuchen zu trösten wusste, stirbt sieben Jahre und vier Tage später im Hochwasser.
In diesen Zeitraum sind Steven Herricks Miniaturen gestellt: Einzelne, in lyrischer Prosa gehaltene Kapitel, die jeweils für sich lesbar sind und sich doch zu einem berührenden Gesamtbild zusammenfügen. Einem expliziten chronologischen Handlungsverlauf verweigert sich der Roman und spiegelt damit Harrys Notwendigkeit, die Wirkmacht der Ereignisse in einen sinnstiftenden Zusammenhang zu bringen. Das transitorische Moment von Kindheit und Adoleszenz geht dabei über in ein Erzählen entlang des Flusses und durch dessen metaphorische Strudel hindurch. Heil und Unheil liegen in diesem Fluss begründet, der die lebensspendende Kraft des Wassers gleichermaßen verkörpert wie die Bedrohlichkeit der Flut – die Vernichtung und den Neubeginn. Wortlos sind die drei Männer ins Harrys Familie dabei einander Arche. Wortlos und durchaus in seiner eigenen Hilflosigkeit und Verletzung gefangen steht der Vater für die Söhne ein und ist ihnen jener gute Hirte, der die Nacht über wacht, „falls sein Sohn ihn braucht, / der keine Kurve schafft, / mit der Seifenkiste“.
Steven Herrick verortet seinen Roman in den frühen 1960er Jahren und bleibt doch zeitlos, wenn er verschrobene Figuren aus der Gemeinschaft der Kleinstadt herausschält, sie episodenhaft auftauchen und wieder verschwinden lässt. Einzig Johnny Barlow durchzieht in seiner feisten Art die Ereignisse über mehrere Jahre hinweg. Er tritt wie ein kindlicher Halbstarker auf und scheint durch das Faustrecht an Harry gebunden. Anknüpfend an das des Motivs von Schuld und Sühne ein eigener Handlungsstrang entlang der provokativ-schweigenden Übereinkunft zwischen den beiden. Und erst am Ende zeigt sich – natürlich am Pearce Swamp – ein überraschend verbindendes Moment zwischen den mit den kargen Verhältnissen in der Kleinstadt ringenden Jugendlichen.
Zu diesem Zeitpunkt hat Harry bereits Claire kennen gelernt. Claire, die den Fluss ganz neu deutet und Harrys Leben und Erleben damit noch einmal neu überschreibt. Denn wenn der Regen kommt, werden die Staubecken geflutet und die Bäche gefüllt. „Es ist, als wenn Gott / noch einmal von vorne anfängt.“
Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen war im Februar 2018 der von der STUBE ausgewählte Lektorix des Monats der Wochenzeitung DIE FURCHE. Die Rezension von Peter Rinnerthaler kann >>>hiernachgelesen werden.
Folgende Bücher hat die Jury auf die Empfehlungsliste 2019 gesetzt. Den Begründungen der Jury beigefügt werden Hinweise darauf, in welchem Kontext die STUBE die Bücher rezensiert und vorgestellt hat.
Empfehlungsliste 2019
David Arnold: Der Herzdenker
Kann man mit dem Herzen denken? Kann es gelingen, trotz widriger Lebensumstände, unerwarteter Schicksalsschläge und erlittenem Unrecht nie die Hoffnung zu verlieren und sich den wertschätzenden Blick auf das Leben und seine Mitmenschen zu bewahren? Der 16-jährige Victor, der eine angeborene Gesichtslähmung hat, verzweifelt fast an dem Versuch, mit dem Tod des geliebten Vaters endlich abzuschließen. Doch dann lernt er die „Helden des Hungers“ kennen, eine Gruppe von vier jungen Leuten, die wie Pech und Schwefel zusammenhalten. Jeder der vier hat sein ganz eigenes Schicksal, und sie alle können damit umgehen, weil sie bedingungslos von der Gruppe unterstützt werden. Getragen von der selbstverständlichen Solidarität seiner neuen Freunde und ihrem beherzigenswerten Lebensmotto „Sie lebten und lachten und sahen, dass es gut war“ kann Vic seine lähmende Sprachlosigkeit überwinden und Neues zulassen. Doch das ist nur ein Detail dieses anrührenden und trotz seiner vielen gewichtigen Themen nie überfrachteten Romans, der durch die virtuos konzipierten Wechsel verschiedener Erzählperspektiven und unterschiedlicher Zeitebenen immer neue Wendungen bereithält und mit seinem originellen und glaubwürdigen Figurenensemble nachhaltig zu überzeugen weiß.
Aus dem Amerikanischen von Ulrich Thiele.
Arena Verlag 2018.
Ab 13 Jahren.
Herzdenker war eines von rund 120 besonderen Büchern des Jahres 2018, die vom STUBE-Team für die Broschüre Seitenweise Kinderliteratur 2018 ausgewählt wurden.
Antje Damm: Was wird aus uns?
Ein Was wird aus uns? Wer so fragt, erwartet keine schnellen Antworten. Und wer wie Antje Damm eine solch existentielle Frage zum Anlass nimmt, über die Natur nachzudenken, will kein naturwissenschaftliches Faktenwissen abfragen, sondern Horizonte öffnen und zum Nachdenken einladen.
Wie vielgestaltig und facettenreich der Begriff Natur ist, zeigen die höchst unterschiedlichen Motive der zahlreichen Fotos und Illustrationen, die von der Autorin gesammelt und in immer wieder überraschenden Kontexten angeordnet wurden. Das große Angebot an Eindrücken, spannenden Perspektivwechseln und hintergründigen Ideen lädt ein zum Nachdenken und Philosophieren über die Vielfalt der Schöpfung, das Verhalten des Menschen und seine Verantwortung für die Umwelt. Die den Bildern zugeordneten, vielfach sehr überraschenden Fragen sind offen formuliert und bieten dem Betrachter erste Denkanstöße für eine vorurteilsfreie Annäherung an die Natur. So wird Antje Damms staunenswert tiefgründige Bildersammlung zu einer Fundgrube der Ideen und zur Grundlage für ein gemeinsames Nachdenken über Gegenwart und Zukunft des Lebens auf der Erde.
Moritz Verlag 2018.
Für alle Leser*innen.
Was wird aus uns? war im März 2018 das vom STUBE-Team präsentierte Buch des Monats auf der Plattform Religion im Kinderbuch. Die Rezension von Claudia Sackl kann >>>hier nachgelesen werden.
Ulrich Hub: Das letzte Schaf
"Das ist ja eine schöne Bescherung“, sagt das Schaf, das als letztes angekommen ist. „Jetzt sind wir ganz allein. Das wird bestimmt eine Katastrophe.“
Als die kleine Schafherde mitten in der Nacht vom hellen Lichtschein eines ungewöhnlichen Sterns aufgeschreckt wird, ist es mit der gewohnten Routine vorbei. Die Hirten, die sich sonst immer so aufmerksam um ihre Tiere gekümmert haben, sind spurlos verschwunden. Niemand weiß, was von dem Gerücht zu halten ist, das schnell die Runde macht: Leuchtende Gestalten sollen die frohe Botschaft von der Geburt eines Kindes verkündet haben, das einmal die ganze Welt retten wird. Nach einigem Hin und Her machen sich die Schafe auf den Weg, um dieses Kind anzusehen und ihre Hirten wiederzufinden. Sie kommen zu spät, weil sie auf ihrem abenteuerlichen Weg durch die Nacht immer wieder vom Weg abkommen. Doch am Ende ist aus der ewig zerstrittenen Herde eine Gemeinschaft geworden, die erwartungsvoll in die Zukunft blickt. Die originelle und sehr humorvolle Adaption der biblischen Weihnachtsgeschichte spielt gekonnt mit den Erwartungshaltungen der Leser*innen und ermöglicht durch die ungewohnte Erzählperspektive einen unverbrauchten Blick auf den Kern der weihnachtlichen Botschaft und ihren Stellenwert in der modernen Festkultur.
Carlsen 2018.
Ab 6 Jahren.
Peter Rinnerthaler hat Das letzte Schaf für die Nummer 4/2018 von 1001 Buch rezensiert (nachzulesen auf der Rezensiondatenbank www.biblio.at) und im Rahmen des STUBE-Freitag zum Thema Neuvorstellungen im November 2018 präsentiert.
Nikola Huppertz / Tobias Krejtschi: Meine Mutter, die Fee
Die kleine Fridi versteht nicht, was in letzter Zeit mit ihrer Mutter los ist. Blass und müde sieht sie aus, sitzt stundenlang regungslos im Dunkeln und starrt ins Leere, vernachlässigt ihr Äußeres und bleibt schließlich immer länger im Bett liegen. Je schwieriger der Alltag zuhause wird, desto gereizter reagiert Fridi auf das für sie unverständliche Verhalten der Mutter. Irgendwann glaubt sie, dass die anderen Kinder mit ihren gemeinen Sprüchen doch Recht haben und dass ihre Mutter tatsächlich verrückt geworden ist. Der liebevolle Vater erkennt die seelische Not seiner Tochter und findet einen ungewöhnlichen Weg, ihr die schwere Depression der Mutter kindgerecht zu erklären. Seine Beschreibung der Mutter als Fee spendet dem Mädchen Trost und lässt die Hoffnung auf bessere Tage zu. Nikola Huppertz sensibler Text nähert sich dem schwierigen Thema Depression sehr behutsam und aus einer magisch-kindlichen Perspektive heraus, die kleinen Kindern vertraut sein wird. Gekonnt greifen die leisen und atmosphärisch dichten Illustrationen von Tobias Krejtschi mit ihren kunstgeschichtlichen Zitaten die melancholische Stimmung auf. Sie zeigen die ganze Tragik der familiären Situation und bieten dennoch Raum für Trost und Hoffnung.
Tulipan Verlag 2018.
Ab 6 Jahren.
Meine Mutter die Fee war im Jänner 2019 das vom STUBE-Team präsentierte Buch des Monats auf der Plattform Religion im Kinderbuch. Die Rezension von Claudia Sackl kann >>>hier nachgelesen werden.
Tobais Krejtschi wird am 13. Dezember 2019 beim STUBE-Freitag zu Gast sein.
Erin Entrada Kelly: Vier Wünsche ans Universum
Ist alles, was in einem Leben passiert, Zufall? Oder steckt ein tieferer Sinn hinter Ereignissen, die Menschen schicksalhaft zusammenführen? Die Lebenswege höchst unterschiedlicher Kinder berühren sich, und dieses Aufeinandertreffen wird für jeden von ihnen zu einem Wendepunkt. Da ist der schüchterne Virgil, der sich als Versager fühlt und unter den Mobbingattacken von Chet leidet, der wiederum seine Schwächen hinter Gemeinheiten versteckt. Denen ist auch die gehörlose Valencia ausgeliefert, die diese Angriffe selbstbewusst ignoriert und trotzdem unter nächtlichen Albträumen leidet, weil sie nicht weiß, wie sie mit der Überbehütung durch ihre Eltern zurechtkommen soll. Beide Kinder suchen die Hilfe von Kaori, die felsenfest an ihre hellseherischen Fähigkeiten glaubt. Nach einem Zusammenstoß mit Chet bleibt Virgil hilflos zurück. Schnell wird klar, dass eine Rettung nur dann gelingen kann, wenn sich die anderen gemeinsam auf die Suche nach ihm machen. Erin Entrada Kelly erzählt spannend und voller Sympathie für ihre gradlinigen und authentischen Protagonisten vom Glück unverhoffter Freundschaft, von Selbstüberwindung und neuem Lebensmut und vom unerschütterlichen Glauben an die Möglichkeit, gemeinsam das Schicksal in die Hand nehmen zu können.
Aus dem Englischen von Birgitt Kollmann.
dtv 2018.
Ab 10 Jahren.
Das übersehene Buch wird an dieser Stelle von Seiten der STUBE erstmals vorgestellt.
Die Übersetzerin Birgit Kollmann wurde für Das Jahr, in dem ich lügen lernte von Lauren Wolk 2018 mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis der Deutschen Bischofskonferenz ausgezeichnet. Einen Bericht über die Preisverleihung finden Sie >>> hier.
Irmgard Kramer: 17 Erkenntnisse über Leander Blum
Seit frühester Kindheit sind Leander und Jonas beste Freunde. Sie teilen eine unbedingte Leidenschaft für die Kunst, der sie alles andere unterordnen. Gemeinsam sind sie BLUX, ein vielbeachtetes Sprayer-Duo, dessen Identität niemand aus der Szene kennt. Mit der Zeit haben die beiden Freunde eine faszinierende Technik entwickelt, in der der eine den anderen intuitiv ergänzt. Diese Symbiose zerbricht, als sich Leander Hals über Kopf verliebt und zum ersten Mal andere Prioritäten setzt. Nach Jonas‘ plötzlichem Tod droht Leander an seinen Schuldgefühlen zu zerbrechen. – Am ersten Schultag nach den Ferien sitzt Lila neben einem neuen Schüler, zu dem sie sich trotz seiner abweisenden Haltung immer stärker hingezogen fühlt. Irritiert von seinem widersprüchlichen Verhalten und fasziniert von dem dunklen Geheimnis, das ihn umgibt, sammelt sie ihre Beobachtungen in 17 Erkenntnissen über Leander Blum.
Durch kunstvolle Verschränkungen unterschiedlicher Zeitebenen und in wechselnden Erzählperspektiven gelingt Irmgard Kramer die überzeugende Geschichte einer tiefen Freundschaft, die im Ringen um künstlerische Selbstversicherung Halt und Sicherheit gibt. Der Coming-Of-Age-Roman erzählt in kraftvoller Bildersprache, wie weit der Weg vom Sehen zum wirklichen Erkennen ist.
Loewe Verlag 2018.
Ab 14 Jahren.
17 Erkenntnisse über Leander Blum war im Herbst Jugendliteratur-Schwerpunkt im Booklet, der Literaturbeilage der Wochenzeitung DIE FURCHE. Die Rezension von Heidi Lexe kann >>> hier nachgelesen werden.
Irmgard Kramer war im Dezember 2018 gemeinsam mit dem Street art Künstler PEKS zu Gast beim einem STUBE-Freitag zum Thema Gesprayte Kunst.
Am 14. Mai 2019 wird 17 Erkenntnisse über Leander Blum auch mit dem Österreichischen Kinder- und Jugendliteratur Preis ausgezeichnet.
Rose Lagercrantz/Eva Eriksson: Glücklich ist, wer Dunne kriegt
Wieder einmal ist die Sehnsucht der 7-jährigen Dunne nach ihrer besten Freundin riesengroß. So groß, dass sie ihre Großmutter schließlich überreden kann, sie allein mit dem Zug ins ferne Norrköping fahren zu lassen, wo Ella Frida seit ihrem Umzug wohnt. Es wird eine aufregende Reise, und Dunne, die wegen ihrer lebensbejahenden Art auch „die kleine Glückliche“ genannt wird, braucht neben Beharrlichkeit und Mut tatsächlich jede Menge Glück, damit dieser erste Schritt zur Selbständigkeit am Ende gut ausgeht. Auch wenn am Ziel zunächst niemand wartet und Dunne ganz allein am verschneiten Bahnhof steht, gibt sie sich nie auf und findet auch deshalb in den entscheidenden Momenten Halt und Hilfe. Glaubwürdig und mit viel Einfühlungsvermögen in kindliche Gefühlswelten und unterstützt durch die lebensnahen und sensiblen Illustrationen von Eva Eriksson erzählt Rose Lagercrantz von den großen und kleinen Momenten im Leben ihrer gradlinigen und nie idealisierten Heldin. Dunne kann trotz vieler Enttäuschungen und Verluste auf den Rückhalt liebevoller Menschen vertrauen und findet so den Mut, sich die Neugier auf Veränderungen zu bewahren. Ein intensives und sehr wahrhaftiges Leseerlebnis für Leseanfänger*innen.
Moritz Verlag 2018.
Ab 7 Jahren.
Glücklich ist, wer Dunne kriegt war im Februar 2019 das vom STUBE-Team präsentierte Buch des Monats auf der Plattform Religion im Kinderbuch. Die Rezension von Kathrin Wexberg kann >>>hier nachgelesen werden.
Agnés Lestrade / Valeria Docampo: Die Schneiderin des Nebels
Wer im Leben Schlimmes erleben musste, hat oft das Gefühl, als liege ein grauer Schleier wie Nebel über allem. So geht es Rosa, die das Trauma der Trennung ihrer Eltern und der Abwesenheit des Vaters verdrängt hat, um sich von der Trauer nicht überwältigen zu lassen. Die Stoffe, die sie mit ihrer geheimnisvollen Gabe aus Nebelschleiern zu weben versteht, sind bei vielen Menschen im Land begehrt, weil sich unter ihnen alles Schwere und Unangenehme verstecken lässt. Als Rosas Vater endlich wieder Kontakt zu ihr sucht, kann sie die belastenden Erinnerungen überwinden. „Mit einem Mal ist Rosas Herz eine Sonne.“ Der Nebel verzieht sich, ein Neuanfang ist möglich und fortan webt sie ihre Stoffe aus Sonnenlicht. Die Inszenierung des knappen Textes und der atmosphärisch dichten filigranen Illustrationen spiegelt auf kunstvolle Weise den Prozess der Veränderung wider. Die schwarz-weißen Bilder mit eingefügten halbtransparenten Seiten in flüchtigem Nebelgrau wandeln sich zu einem Tableau in wärmenden lichtgelben Farbtönen und erzählen auf höchst eindrucksvolle Weise von Verlust und Trauer und von der Sehnsucht nach Heilwerdung.
Aus dem Französischen v. Anna Taube.
mixtvision 2018.
Ab 5 Jahren.
Die Schneiderin des Nebels war eines von rund 120 besonderen Büchern des Jahres 2018, die vom STUBE-Team für die Broschüre Seitenweise Kinderliteratur 2018 ausgewählt wurden.
Elisabeth Steinkellner: Dieser wilde Ozean, den wir Leben nennen
Antonia und Simon, die sich ganz zufällig über den Weg laufen, stecken beide in einer existentiellen Krise und sind sich selbst fremd geworden. Gerade weil ihre Nöte nicht unterschiedlicher sein könnten, erhalten beide durch die unverbindliche Nähe und im Austausch mit dem unvoreingenommenen Gegenüber den notwendigen Impuls für eine läuternde Bestandsaufnahme. Antonia steckt in einem Leben fest, das durch die psychische Erkrankung und den Selbstmord des Bruders geprägt ist. Die Sprachlosigkeit in ihrer Familie lässt sie glauben, kein Recht auf eine eigene Zukunft zu haben und jede emotionale Bindung in Frage stellen zu müssen. Der zurückhaltende und introvertierte Simon will seinem als eng und ereignislos empfundenen Alltag entkommen und sucht verzweifelt nach der erlösenden Freiheit durch ein sinnerfülltes Leben, das den Idealvorstellungen seiner Träume und Fantasien entspricht. In starken Bildern und Metaphern erzählt Elisabeth Steinkellner von der existentiellen Verunsicherung junger Menschen, von ihrer großen Sehnsucht nach Substanz und Tiefe, von der Notwendigkeit, Altes loszulassen und zu neuen Horizonten aufzubrechen und von der Hoffnung, den ureigenen Platz im Ozean des Lebens finden zu können.
Beltz&Gelberg 2018.
Ab 15 Jahren.
Kathrin Wexberg hat Dieser wilde Ozean, den wir Leben nennen im Rahmen des STUBE-Freitag zum Thema Neuvorstellungen im November 2018 präsentiert.
Elisabeth Steinkellner war bereits 2017 mit ihrem wunderbaren Lyrik- und Prosaband die nacht der falter und ich auf der Empfehlungsliste des Katholischen Kinder und Jugendbuchpreises der Deutschen Bischofskonferenz. >>> Zur Erinnerung an die Preisverleihung in Wien und den Literarischen Spaziergang rund um den Dom
Shaun Tan: Reise ins Innere der Stadt
Ein Hochhaus, dessen 87. Stockwerk von Krokodilen bewohnt wird; ein Sitzungssaal voller Frösche, ein kleiner Junge, der seine uneingestandene Angst als riesige Eule imaginiert, die im Krankenzimmer auf ihn wartet und deren Anwesenheit ihn trotz seines anfänglichen Erschreckens tröstet… In bildstarken, oft geheimnisvoll verrätselten kurzen Geschichten und Gedichten erzählt Shaun Tan vom ambivalenten Spannungsverhältnis zwischen Mensch und Tier und stellt dabei immer aufs Neue unsere gewohnte Sicht auf Tiere in Frage. Im Zentrum der mal anklagenden, mal melancholischen und trotzdem leidenschaftlich für eine bessere Zukunft plädierenden Parabeln steht das Tier –als geliebter Freund genauso wie als Wirtschaftsgut, dessen Wert sich nach dem Nutzen bestimmt, den es den Menschen bringt. Eindrücklicher noch als die symbolisch aufgeladenen Texte sind die farbgewaltigen, mal surrealen, mal magisch realistischen Illustrationen. Sie schreiben die Geschichten fort und finden mit ihren irritierenden Inszenierungen starke Bilder für Verlust, Isolation und Trauer. Die vielschichtigen Deutungsmöglichkeiten geben aber auch kreativen Ideen von einem neuen Miteinander von Mensch und Tier Raum.
Aus dem Englischen v. Eike Schönfeld.
Aladin 2018.
Ohne spezifische Altersangabe.
Reise ins Innere der Stadt war im Dezember 2018 der von der STUBE ausgewählte Lektorix des Monats der Wochenzeitung DIE FURCHE. Die Rezension von Peter Rinnerthaler kann >>>hier nachgelesen werden. Er hat das Buch auch für die Nummer 1/2019 von 1001 Buch rezensiert und im Rahmen des STUBE-Freitag zum Thema Neuvorstellungen im November 2018 präsentiert.
Dianne Touchell: Foster vergessen
Foster liebt seinen lebenszugewandten Vater und taucht mit ihm, dem fantasiebegabten Erzähler, in immer neue kreative Geschichtenwelten ein, die ihm Welterklärung und Selbstvergewisserung zugleich bieten. Als der Vater sich auf zunächst kaum wahrnehmbare Weise verändert, immer häufiger unter Gedächtnislücken leidet und schließlich in seinem oft beängstigend fremden und erschreckenden Verhalten kaum mehr wiederzuerkennen ist, ist der 7-jährige Junge völlig überfordert. Die Angst, dass sein Vater auch ihn komplett vergessen könnte, wird zum Albtraum, auf den er mit Trotz und Ablehnung reagiert. Die Mutter verleugnet die Schwere der Alzheimer Erkrankung bis zur Selbstaufgabe und lässt es zu, dass ihre Beziehung zu Foster immer schwieriger wird und das Familienleben völlig aus den Fugen gerät. Dianne Touchell schildert schonungslos und unsentimental die täglichen Demütigungen und Katastrophen, die die Diagnose Demenz für Betroffene und Angehörige bedeutet und beleuchtet aus kindlicher Perspektive die existentiellen Fragen, die sich angesichts eines radikalen Verlusts stellen. Hoffnung bietet allein die wachsende Bereitschaft, Hilfe anzunehmen und die Erkenntnis, dass Fosters vom Vater übernommene Liebe zum Erzählen auch dessen Persönlichkeit lebendig hält.
Aus dem Englischen von Birgit Schmitz
Königskinder 2018.
Ab 16 Jahren.
Im Sommer 2018 hat sich das STUBE-Team vom Programm der Königskinder verabschiedet. Jedes der Bücher wurde sowohl vom STUBE-Team als auch von einer freien Mitarbeiterin rezensiert. Die Rezensionen von Kathrin Wexberg und Ela Wildberger zu Foster vergessen lesen Sie >>> hier.
Anja Tuckermann / Mehrdad Zaeri / Uli Krappen: Der Mann, der eine Blume sein wollte
Ein Schrankenwärter, der tagein tagaus gewissenhaft seiner Arbeit nachgeht und auch in seiner Freizeit wenig Abwechslung hat, will endlich ausbrechen aus dem Einerlei des Alltags und sehen, ob das Leben nicht mehr zu bieten hat als das Immergleiche. Er will Fantasie und bunte Farben nicht länger aus seinem Leben verdrängen und traut sich, von seinen Wünschen und Hoffnungen zu träumen. Was wäre, wenn er eine Blume wäre und ein Leben voller Licht und Farbe führen könnte, wenn er sich an den schönsten Orten frei entfalten könnte und Freude und Glück in das Leben anderer Menschen brächte? Wenn er die engen Grenzen seines Körpers hinter sich lassen könnte und frei von lähmenden Konventionen wäre - nicht nur für sich allein, sondern auch im Miteinander? Diese Sehnsucht nach Sinn und Erfüllung im Leben wird in Anja Tuckermanns Erzählung zu einer zauberhaften Hommage an die Kraft der Fantasie, die viel mehr ist als ein unerfüllbarer Traum. Die dynamischen Bilder von Mehrdad Zaeri und Uli Krappen füllen die anfänglich triste und begrenzte Welt am Schrankenwärterhaus mit immer bunter werdenden Blütenwelten und zeigen, dass die Welt voller Wunder ist.
Tulipan Verlag 2018
Ab 5 Jahren
Der Mann, der eine Blume sein wollte war Kröte des Monats im September 2018. Die rezension von Claudia Sackl lesen Sie >>> hier.
Jochen Voit / Hamed Eshrat: Nieder mit Hitler! oder Warum Karl kein Radfahrer sein wollte
Die Anfang der 40er Jahre gegründete Erfurter Widerstandsgruppe, der neben dem Gründer Jochen Bock auch Karl Metzner und drei weitere Schulfreunde angehörten, engagierte sich mit Flugblättern gegen den Terror des NS-Regimes. Die Jugendlichen wurden denunziert und von der Gestapo verhaftet und entgingen nur mit Glück der Todesstrafe. Der Lebensweg Metzners, der nach dem Krieg als evangelischer Pfarrer in der DDR wirkte und aufgrund dieser Berufswahl und seiner mutig vertretenen pazifistischen Überzeugungen ein zweites Mal ins Visier eines Unrechtsregimes geriet, ist ein überzeugendes Beispiel dafür, dass es auch in einer Diktatur möglich ist, trotz persönlicher Gefahr seine Überzeugungen zu vertreten und die eigene Integrität zu bewahren. Die unmittelbar anschauliche und stets auf die handelnden Personen fokussierte Erzählweise der Graphic Novel und die geschickte, farblich abgesetzte Verschränkung der unterschiedlichen Zeitebenen macht Geschichte erlebbar und bietet jungen Menschen auch durch die Einbeziehung von Originaldokumenten einen authentischen Blick auf einen Mann, der kein Held sein wollte und dennoch Vorbild ist.
avant Verlag 2018.
Ab 12 Jahren.
Wie viele andere Bücher dieser Empfehlungsliste auch war Nieder mit Hitler! auf der Liste der Besten 7 Bücher für junge Leser*innen die jeweils am ersten Samstag des Monats im Deutschalndfunk präsentiert wird. Die Empfehlungsliste resultiert aus monatlichen Nominierungen einer vielköpfigen Jury aus dem deutschsprachigen Raum, der auch Heidi Lexe angehört. Die sendung vom November 2018 kann >>> hier nachgehört werden.
Alex Wheatle: Liccle Bit
Anerkennung und Zugehörigkeit sind für Jugendliche wichtige Themen. Auch der 14-jährige Lemar sucht seinen Platz im Leben. Er hadert nicht nur mit seiner geringen Körpergröße, die ihm den Spitznamen Liccle Bit eingebracht hat, sondern fühlt sich auch zu Hause in der beengten Wohnung zwischen einer vom Leben enttäuschten Mutter und einer frustrierten alleinerziehenden Schwester unbeachtet und unverstanden. Nur in der Zuwendung der liebevollen Großmutter und beim Zeichnen findet der künstlerisch begabte Junge zuweilen die erhoffte Anerkennung. Als ihn der Bandenchef seines Viertels um einen Gefallen bittet, lässt er sich auf einen dubiosen Botengang ein und gerät ungewollt mitten in einen Bandenkrieg mit Toten und Verletzten. Verzweifelt und voller Schuldgefühle sucht er einen Ausweg aus seinem aussichtslos scheinenden Dilemma und hätte nie erwartet, ausgerechnet bei seiner Familie und bei Freunden Rückhalt und Unterstützung zu finden. Alex Wheatle erzählt dialogreich, pointiert und mit erkennbar viel Verständnis für die Stärken und Schwächen all seiner sehr differenziert gezeichneten Figuren vom Suchen nach Identität, von individueller Schuld, von Liebe und Zuwendung und von der Verantwortung jedes Einzelnen für das Zusammenleben in einer sozialen Gemeinschaft.
Aus dem Englischen v.Conny Lösch.
Kunstmann 2018.
Ab 14 Jahren.
Claudia Sackl gehört zu den jenen, die sich im Kontext der U.S.-amerikanischen Bewegung #blacklivesmatter früh mit deren literarischem Aspekt auseinandergesetzt hat. Auch wenn der Brite Alex Wheatle etwas abseits dieser Bewegung steht, ist seine Crongton-Trilogie damit von Beginn am im Fokus des STUBE-Interesses gestanden. Claudia Sackl hat Liccle Bit im Rahmendes STUBE-Freitags zum Thema Bücherberge im Juni 2018 vorgestellt.
Alex Wheatle selbst wird am 12. April 2019 im Rahmen ausgewählter Lesungen im deutschsprachigen Raum in Österreich exklusiv in der STUBE zu Gast beim STUBE-Freitag sein.
Der Jury gehörten an (von links): Elisabeth Wagner-Engert (Augsburg), Anna Winkler-Benders (Frankfurt), Prof. Dr. Markus Tomberg (Fulda), Cornelia Klöter (Leipzig), Dr. Klara Asako Sarholz (Bottrop), Susanne Kriesmer (Maria Laach), Gabriele Cramer (Münster), Bettina Kraemer (Bonn), Weihbischof Robert Brahm (Trier; Vorsitz), Dr. Heidi Lexe (Wien).