STUBE
  • Angebote
    • STUBE-Card
    • Veranstaltungen
    • Themenbroschüren
    • Schriftenreihe
    • Beratung und Recherche
    • Bestellung
    • Newsletter
  • Fernkurs
    • Zielgruppe
    • Inhalte
    • Bedingungen
    • FAQ
    • Tagungen
    • Aufbaukurs
    • Rückblick
  • Buchtipps
    • Kröte des Monats
    • Krötenarchiv
      • Kröten 2015
      • Kröten 2014
      • Kröten 2013
      • Kröten 2012
      • Kröten 2011
      • Kröten 2010
      • Kröten 2009
      • Kröten 2008
      • Kröten 2007
      • Kröten 2006
      • Kröten 2005
    • Buchlisten
    • Monatliche Buchtipps
    • Rezensionen online
    • Preise
  • Tagebuch
  • Über uns
    • STUBE-Konzept
    • STUBE-Team
    • Kontakt
    • Tätigkeitsberichte
    • STUBE-Chronik
    • Kooperationen
    • Impressum

Lektorix des Monats für das Jahr 2014

Lektorix des Monats Oktober 2014

 

Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums. Von Benjamin Alire Sáenz. Thienemann-Esslinger 2014.

Lektorix in DIE FURCHE 44/30. Oktober 2014

Berührende Freundschaft

„Denn die Musik war schon sehr bald vorbei. Die Musik war vorbei, als sie gerade erst angefangen hatte. Das war echt traurig.“ El Paso, 1987. Ari ist fünfzehn, und sein Leben stagniert. Nicht mehr Kind und noch lange nicht Erwachsener, nicht ganz Mexikaner, aber schon gar nicht US-Amerikaner. Das Dazwischen begleitet ihn seit fünfzehn Jahren, und eigentlich hat er sich damit abgefunden. „Das Problem mit meinem Leben war, dass ich nicht selbst darüber bestimmte“ – aber welcher Fünfzehnjährige tut das schon? Es wäre okay, wenn nicht plötzlich Dante da wäre. Dante, der auch fünfzehn ist, auch kein ganzer Mexikaner… aber da scheinen die Gemeinsamkeiten vorerst aufzuhören. Dante ist so offensichtlich und unbekümmert Teil der Welt, dass Ari anfängt, seine eigenen Vorstellungen zu überdenken. Die Freundschaft der beiden wird zum Punkt, der die Welt aus den Angeln hebt. Bis zum Autounfall.
Eine so philosophische, berührende Freundschaft wie die von Ari und Dante kann nicht ungestört bleiben. Die Zäsur, die in Benjamin Alire Saenz‘ Debüt relativ früh auftritt, überrascht nicht – wohl aber der Ausgang des Unfalls. Denn nicht der lebensfrohe Dante ist das Opfer, sondern Ich-Erzähler Ari. Er wirft sich zwischen den herannahenden Wagen und den Freund und landet im Krankenhaus, während Dante glimpflich davonkommt –  zumindest äußerlich. Bevor das Verhältnis an seinen Schuldgefühlen zerbricht, zieht Dantes Familie weg.
In Aris Denken verliert die Freundschaft an Dringlichkeit. Zu überwältigend ist das Leben, zu groß sind immer noch die Probleme, die ihn vor Dantes Auftauchen belasteten.
Die Kommunikation in Form von Briefen wird immer einseitiger, verwirrender, Ari fühlt sich unverstanden und will auch nicht mehr verstehen. „Dazu waren wir inzwischen zu alt. Wir hatten etwas verloren, und das wussten wird beide.“
Als Dante nach El Paso zurückkehrt, eskaliert die Lage.
Dem eloquenten, expressiven Dante steht der in sich gekehrte, selbstzweifelnde Ari gegenüber. Dass man den Gedankengängen beider Charaktere gleich intensiv folgen kann, liegt an der Wahl der Erzählperspektive. Ari spricht zwar wenig, denkt aber unheimlich viel – mehr vielleicht, als man von einem pubertierenden Jungen erwartet hätte. Nicht nur gleichaltrige, sondern auch ältere Leser*innen werden nicht umhin kommen, sich mit ihm zu identifizieren, sich die gleichen Fragen zu stellen – „Warum lachen wir? Warum fühlen wir uns allein? […] Was ist das Ding in unserer Magengrube, das wir Sehnsucht nennen?“ – und vielleicht die Antworten darauf finden.

Simone Weiß

 

Lektorix des Monats August 2014

 

Der Schmerz, die Zukunft, meine Irrtümer und ich. Von Jenny Jägerfeld. Übersetzt v. Birgitta Kicherer. Hanser 2014. 288 S.

Eine Jugendliche auf Identitätssuche

Jenseits medizinischer Exaktheit lässt sich Phantomschmerz wohl folgend definieren: Wenn man etwas als schmerzlich empfindet, obwohl oder gerade weil es nicht mehr da ist. Dieses Motiv überführt Jenny Jägerfeld hier in eine doppelte Struktur und steigt in ihren Jugendroman mit der Beschreibung jener wenigen Momenten ein, in denen sich Maja im Kunstunterricht die oberste Spitze des Daumens bis zum Knochen absägt. Versehentlich.
„Här ligger jag och blöder“ – „Hier liege ich und blute“, so der schwedische Originaltitel, der die narrative Zeitdehnung besser zu fassen weiß als die universalere Betitelung der deutschsprachigen Ausgabe, die von Birgitta Kicherer stimmig übersetzt ist. Es sind nur wenige Sekunden, die Jenny Jägerfeld hier zur erzählerischen Breite dehnt und es sind nur wenige Tage, die der Amputation folgen. Und in denen doch ein ganzes Familienleben aufgearbeitet wird. Der körperliche Schmerz – ausgelöst von der bezeichnenderweise trennenden Säge – wird zum Erzählanlass, zur Initialzündung für Ich-Erzählerin Maja, die normalerweise bei ihrem alleinerziehender Vater lebt und wie immer ein Wochenende bei ihrer Mutter verbringen will. Bloß: Ihre Mutter ist nicht da. Wie die fehlende Daumenkuppel wird die verlassene Wohnung zur metaphorischen Leerstelle, die Maja mit Bruchstücken der erinnerten Vergangenheit füllt sowie das komplexe und prekäre Mutter-Tochter-Gefüge reflektiert. In den Rückblicken changiert Majas verschwundene Mutter zwischen Abwesenheit, Abgelenktheit und Apathie. Das Bild, das Maja bei der Suche nach ihr immer wieder beschwört, ist bezeichnend: „Mama ein paar Meter weiter weg, in einem identischen Liegestuhl, lesend. Immer lesend. Bücher über Psychologie. Immer. Den Nacken gekrümmt, den Kopf nach unten gebeugt wie ein Flamingo.“ Das jene Seltsamkeit am Ende des Textes über eine konkrete Diagnose eingeordnet wird – die hier nicht verraten werden soll – ist für Maja ebenso einschneidend wie die Verletzung der Hand.
Die Beschreibung des physischen Schmerzes, zwischen Dumfpheit und wütenden Hammerschlägen, der im Text immer wieder als Echo nachhallt, steht motivisch auch für den psychischen Schmerz, den Jenny Jägerfeld adäquat in Prosa zu fassen weiß. Sie stellt ihre Protagonistin nie bloß und zeigt sie doch in all ihrer Verletzlichkeit, die ihrer rauen Coolness zu Grunde liegt. Ein gelungenes literarisches Porträt, das eine Jugendliche gleichsam souverän wie verunsichert, immer aber außerordentlich glaubwürdig zeichnet.

Christina Ulm

 

 

Lektorix des Monats Juni 2014

 

Schon wieder was! Von Jürg Schubiger und Wolf Erlbruch.
Peter Hammer 2014. 32 S.

Spiel mit De- und Rekonstruktion

Von einem Bestiarium zu sprechen wäre vermessen, denn hier werden durchaus liebenswerte Geschöpfe versammelt. Dennoch: Die Figuren, die Wolf Erlbruch unter Nutzung ganz unterschiedlicher Techniken ins Bild setzt, können erst durch die beigestellten Erklärungen zu- oder eingeordnet werden. Die Erklärungen werden daher auch alle mit derselben Frage eröffnet: „Was ist denn das?“ Aus dem ersten Antwortversuch („Ein Zwerg.“ Oder auch: „Ich weiß es nicht.“) entwickelt sich ein Dialog, der seinerseits in Dialog mit dem jeweiligen Bild steht. Bemerkenswert bleibt dabei, dass alle vorgestellten Wesen ein wenig aus ihrem figurativen Rahmen fallen: Sie sind klein und gleichzeitig groß; sie können Hund oder Katze sein oder überhaupt als etwas erscheinen, was sie gar nicht sind; sie zerfallen oder müssen erst Stück für Stück wieder zusammengesetzt werden.
Was dieserart entsteht, ist ein wunderbares Spiel mit Dekonstruktionen und Rekonstruktionen, die Bild und Text ineinander überführen. Für die Betrachterinnen und Betrachter allen Alters fächert sich eine Bildergalerie auf, die nicht wie bei Modest Mussorgsky musikalisch erfasst wird, sondern in knappen poetischen Miniaturen des Schweizer Autors Jürg Schubiger. Befragt werden dabei nicht einfach nur ein Warzenschwein, eine Mundharmonika oder Frau Radau, sondern die Sprache selbst: „Was ist denn das?“ / „Eine Spitzmaus.“ / Sieht wirklich spitz aus. / Gibt’s auch eine Stumpfmaus?“ Für Figuren wie das Puppenfresserbiest (also doch ein Bestiarium?) können sehr deutliche Bestimmungen vorgenommen werden. („Von etwas muss das Biest sich nähren, / es frisst auch Teddybären“, heißt es, wenn Wolf Erlbruch einen großen Schwarzen Vogel im linear strukturierten Federkleid zeigt, der gerade einen kleinen Plüschgenossen zum Schnabel führt.) Bei anderen seltsamen Erscheinungen – von Ferne hergereist oder nur im Dunkeln zu erspähen – muss erst einmal eine lyrische Annäherung an deren überraschende Charakterzüge stattfinden. Und manchmal zeigt ein Bild auch nur das Bild eines „Jungen“, der die Zunge herausstreckt und an den Zeichner gleichermaßen erinnert wie an jenen Physiker, dessen Bild hier bildlich zitiert wird … Wenn also vom Gras gesprochen, illustratorisch jedoch die riesigen Augen eines Hasen inszeniert werden, dann zeigt sich, dass beide Künstler es perfekt verstehen, mit ihrem Material zu spielen. Sie lösen dabei Figuren zeichenhaften Vorgaben und verorten sie literarisch ganz neu. Zum Beispiel die Fee: „Sie wohnt im Wald mit einem Bär / und badet nachts im Teich. / Sie ist bleich, hat langes Haar, / und wenn sie singt, tönt’s sonderbar.“

Heidi Lexe

 

Lektorix des Monats April 2014

 

Die Regeln des Sommers. Von Shaun Tan.
Aus dem Engl. v. Eike Schönfeld.
Aladin 2014. 48 S.

Ein Sommer kindlicher Imagination

Wenn Shaun Tans Bilderbuch etwas fehlt, dann ist das Musik. Genau in jenem Moment, als die zwei jungen Protagonisten mit Trommel und Trompete unter dem Titel „Die Regeln des Sommers“ hinwegmarschieren, sollte eigentlich „The Suburbs” (2010) von Arcade Fire einsetzen. Beim Lesen des ersten Satzes: „Also das habe ich im letzten Sommer gelernt:“ wären dann die Verse „In the suburbs I / I learned to drive” zu hören. Verwundert würde man zurückblättern und den älteren Jungen mit einem futuristischen Luftboot über eine Vorstadtgrenze schweben sehen. Der Jüngere –um Sekunden zu spät – bleibt wie eingefroren auf einer satten Sommerwiese zurück. In den 13 folgenden Momenten des kindlichen Sommers scheint die Zeit ebenfalls still zu stehen. Shaun Tan zeichnet einen Sommer des Nebeneinanders, einen Sommer der kindlichen Imagination und einen Sommer, der ganz bestimmten Regeln folgt. Diese Richtlinien bilden den spärlichen Text und werden neben kräftig kolorierte Bilder gesetzt. Meist liefern die Illustrationen prompt die Konsequenz des kindlichen Zuwiderhandelns. Denn wenn es heißt „Nie auf eine Schnecke treten“, folgt die Antwort in epischer Shaun-Tan-Manier: Während der Schuh des Jüngeren absichtlich auf eine Schnecke hinabfährt, zerlegt ein immenser Tornado die architektonische Konformität der Vorstadt. Der Illustrator setzt – wie gewohnt – auf Szenerien, die auf die irdische Fragilität verweisen und zugleich die kindliche Maßlosigkeit der Vorstellungskraft widerspiegeln. Arcade Fire als assoziative Referenzfolie wäre gerade bei „But by the time the first bombs fell / We were already bored” angekommen und auch das Geschwisterpaar zeigt sich wenig beeindruckt vom tiefschwarzen Himmel. Schließlich muss man eine Parade organisieren. Der australische Künstler hat sich gewiss nicht neu erfunden. Muss er auch nicht, da durch die signifikante Ästhetik Gefühle beim Lesen/Sehen hervorgerufen werden, die mit Worten nur schwer zu beschreiben sind: Die Gleichzeitigkeit von Gemeinschaft und Distanz einer Freundschaft, wie sie oft nur Geschwister verspüren. Vielleicht vergleichbar mit der Intensität melancholischer Erinnerungen an den eigenen Sommer der Kindheit, der bei Arcade Fire so klingt: „So move your feet from hot pavement and into the grass / Cause it’s already past” und im Bilderbuch mit der letzten Regel auf den Punkt gebracht wird: „Nie den letzten Sommertag verpassen.” Eine weitere Regel muss lauten: Nie den letzten Shaun Tan verpassen; weder mit einem, noch mit 99 Jahren.

Peter Rinnerthaler

 

Lektorix des Monats Februar 2014

Der Junge, der mit den Piranhas schwamm. Von David Almond.
Ill. v. Oliver Jeffers.
Ravensburger 2014.
256 Seiten, € 15,50.

 

 

 

 

 

 

 


Seinen Platz im Leben finden

Hier ist etwas sehr Fischiges im Gong. Doch hier wird nicht geschwiegen, hier wird die Lippenpresse ebenso ignoriert wie die Stummheitsmasche. Hier werden die Dinge an- und ausgesprochen, egal, wie ekelwärtig und himmelrufend widerhaft sie sind.
Nun. Der renommierte englische Autor von Literatur für Kinder und Jugendliche weiß auch in dieser Geschichte an die emotionalen und sozialen Bruchstellen kindlichen Erlebens zu blicken – nimmt dabei aber (mit Hilfe der biegsamen Übersetzung von Alexandra Ernst) den Weg der humorigen und leicht skurrilen Schilderung einer kindlichen Biografie: Stanley Potts verlässt das Haus in dem er aufwächst, um dem Fisch-Fabriks-Wahn seines Onkels zu entkommen, dem mittlerweile auch Goldfische zum Opfer gefallen sind, die Stan vor dem sicheren Tod am Jahrmarkt gerettet hat. Stan kehrt also dem toten Fisch und dessen Verwertung den Rücken und wendet sich dem Lebendigen zu. Er schließt sich einem Jahrmarkt an und arbeitet für den Schausteller Dostojewski. Bald jedoch taucht eine wahrlich fischige Legende unter den Jahrmarktleuten auf: Pancho Pirelli. Er ist der Mann, der sich ins Piranha-Becken wagt. Und jener Mann der behauptet, sein Leben lang auf Stanley Potts gewartet zu haben. Es ist eine ganz neue Form der Zugehörigkeit, die Stanley durch Pancho Pirelli und das kuriose Trüppchen der Schausteller erfährt. Sie alle, die als Freaks gelten, verkörpern jene schlichten Notwendigkeiten, auf denen das Leben an sich fußt: Zuneigung, Vertrauen, Freundschaft, Loyalität. Der Jahrmarkt selbst wird dabei zum Jahrmarkt des Lebens; hier gilt es zu lernen, dass wir die Dinge an manchen Tagen deutlicher sehen als an anderen, und dass der Sprung ins Piranha-Becken nichts anderes bedeutet als die Konfrontation mit dem inneren Piranha. Jeder Mensch, auf den man trifft, wird dabei zum Teil deiner selbst und mit jedem dieser Zusammentreffen eröffnet sich eine Fülle an Möglichkeiten, wie das Leben weiter verläuft. David Almond bezieht diese Vielfalt an Möglichkeiten in sein Erzählen ein, spricht seine Leserinnen und Leser direkt an („Was würdet ihr tun?“), stellt ihnen frei, über den Verlauf des Erzählens letztlich selbst zu entscheiden. Wie schon in „Mina“ wendet er sich an ein kindlicheres Publikum und reflektiert den Versuch, ins Leben zu finden, als Versuch, zur Sprache zu finden. Wichtig dabei ist es ihm, den Blick auf das Ganze nicht zu verlieren, stets einen Schritt hinter das eigene Erleben (und Erzählen) zurückzutreten und die Vogelperspektive auf eine ganz und gar fischige Welt zu wahren.

Heidi Lexe

 

 

 

 


STUBE Studien- und Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur | Stephansplatz 3/II/11 | A-1010 Wien | T.: +43 1 51552-3784 | stube@stube.at oder fernkurs@stube.at