STUBE-Freitag: Am Meer. Zu Gast: Willy Puchner
STUBE Freitag am 20. April 2018
STUBE ahoi! Die Segel gehisst! Heute geht es auf’s offene Meer, besser gesagt auf Willy Puchners „Fabelhaftes Meer“, das in die Empfehlungsliste des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises 2018 der deutschen Bischofskonferenz gewählt wurde.
Zunächst wird aber ganz assoziativ in See gestochen: Wir spielen erst einmal „Stadt, Land“ unter maritimen Gesichtspunkten, und so wie Willy Puchner später an dem Abend bekennt: „Es treibt mich das Persönliche“, gibt das STUBE-Team multimedialen Einblick in seine ganz persönliche Liste von Stadt, Land, Meer und Urlaub über Film, Song, Bild und Tier bis hin zu Märchenfigur, fantastischer Figur, Abenteuerroman, Gedicht, Bilderbuch, Schwimmutensil, biblischer Szene und Schwimmbad.
Während Kathrin Wexberg als Reisebegleiter den unter Protest aus der privaten Badewanne entführten Blauwal vorstellt, nimmt sie uns auf eine Reise nach Venedig mit, wo in Anlehnung an „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ (GB 1974) Nina Blazons „Laqua. Der Fluch der schwarzen Gondel“ (cbj 2012) angesiedelt ist. Dann geht es weiter an den Atlantik nach Dänemark zur „kleinen Meerjungfrau“, die in drei verschiedenen Illustrationen präsentiert wird (Lisbeth Zwerger 2004, Quentin Gréban 2008, Dirk Steinhöfel 2014). Musikalisch begleitet von Bratfischs „Lagunenreaggae“ (Fischfabrik 2010) geht ihre Reise im Wiener Gänsehäufel zu Ende, von wo aus der Blauwal glücklicherweise keinen weiten Heimweg mehr hat.
Peter Rinnerthaler führt uns weiter nach Norden an den Pazifik ins nebelige Nova Scotia, Kanada, wo sein Blick als Reisender auf die Geschichte einer Bergarbeiterstadt, deren Minen unter dem Meer liegen, den Illustrationen in „Stadt am Meer“ (Aladin 2018) verblüffend ähnelt. Gigantische Wellen zeigt er auch in „Kunst mit Torte“ (Moritz 2017), wo „die große Welle von Kanagawa“ zitiert wird, in „Nis Randers“ (Kindermann 2015), wo das Wasser die Gestalt von Pferden annimmt, und schließlich in der biblischen Exodus-Geschichte, in dem Wagen und Pferde der Ägypter vom Meer verschlungen wurden. Seine Reise endet im Berliner Prinzenbad, das auch Schauplatz von „Herr Lehmann“ (D 2003) ist.
Heidi Lexe schließlich hat kein Lieblingsmeer, sondern eine Lieblingsbrücke, nämlich die Oresund Brücke von Kopenhagen nach Malmö, und so schlägt sie weitere Brücken nach Island mitsamt Heringsfabrik, in die Karibik mit Rum, Piraten und John Boynes „Schiffsjungen“ (Fischer 2011) und schließlich - versehen mit einem Wetterbericht von Gerda Anger-Schmidt („Muss man Mietzen sietzen“, Residenz 2006) - zu den Apnoetauchern im „Rausch der Tiefe“ (FRA 1988) und dem „Floß der Medusa“, das in „Asterix der Legionär“ (Delta 1971) zitiert wird. Mit dem Nino aus Wien überzeugt sie schließlich davon, dass „Überall das Meer“ (Problembär Records 2016) ist.
Nach der Kaffeepause tauchen wir schließlich nicht nur ins fabelhafte Meer, sondern in die fabelhafte Gedankenwerkstatt des Willy Puchner. Das Gespräch mit ihm, geführt von Heidi Lexe, ist als technisch einwandfreies (der Server hat seit dem letzten Mal auch Auferstehung gefeiert) Video-on-demand im >>> LogIn Bereich für STUBE-Card Inhaber*innen verfügbar.
Wir nehmen also Fahrt auf: Willy Puchner wurde durch seine vierjährige Weltreise in Begleitung von zwei Pinguinen und die dabei entstandenen Fotos bekannt. Reisen, Fernweh und Sehnsucht spielen in seinem Schaffen eine große Rolle.
Während heute die meisten Volksschulkinder schon einmal am Meer waren, sah Willy Puchner es erst mit vierzehn Jahren. Bis dahin war es ihm nur aus Briefen des früh verstorbenen Vaters an die Mutter ein Begriff, und schon davor galt es ihm als Traum- oder Sehnsuchtsort.
Am Meer vergeht die Zeit anders, und in Willy Puchners „fantastischem Meer“ gibt es allerhand Unglaubliches, z.B. den Zitatefisch oder das Ozeantheater. Manche Fische sind Abbilder der Menschentypen am Strand, manche Möwen baden lieber in der Wanne. Es gibt die Flaschenpost, ein Wimmelbild und den „running gag“, einen Fisch, der auf fast jeder Seite vorkommt, nur nicht bei der großen Welle, die wie ein raumgreifender Einbruch von Realität ist. Andererseits gibt es auch einen Elefanten, der schwimmend ganz leicht wird, dass sogar ein Mensch ihn mit einer Hand verschieben kann.
Heute reist Willy Puchner, der auf einem Bauernhof im Burgenland wohnt, vermehrt in seiner Imagination, und so wurden seine legendären Reisetagebücher von Materialbüchern abgelöst, die all jene Reiseimpressionen enthalten, die er aus dem Blick des Tigers (seines Katers) oder aus der Reise durch die Jahreszeiten oder aus Träumen bezieht. Wie eins alle Reisenden, schreibt Willy Puchner Briefe. Seine Briefe sind ausführliche, handgeschriebene, gezeichnete, auf besonders ausgewähltem Papier oft auch ausgeschnittene und gebastelte Reiseberichte aus seiner Gedankenwelt.
Zum Werkstattgespräch bringt er wieder Geschenke mit. Letztes Mal waren es Lesezeichen. Diesmal sind es seine selbst entworfenen Briefmarken. In der burgenländischen Gemeinde, wo er wohnt, hat er eine Vereinbarung mit der Post: Er darf seine eigenen Briefmarken verwenden, und sie werden ordnungsgemäß abgestempelt... ein Einbruch von Imagination.
Kulinarisch endet dieser STUBE-Freitag mit Fish & Chips und Gelato, künstlerisch mit signierten Bilderbüchern und dem Stöbern in Willy Puchners Briefmarkensammelsurium.
Ein Bericht von Alexandra Holmes
In Kooperation mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis der Deutschen Bischofskonferenz.
Alle STUBE-Freitage und alle Video-Angebote sind im Angebot der STUBE-Card enthalten, die >>>hier bestellt werden kann.