STUBE-Freitag: Von Smaug zu Fuchur
Drachen zähmen mit Birgit Dankert
Das STUBE-Team (in schwarz) mit Prof. Birgit Dankert und goldenem Drachengeschenk.
Kathrin Wexberg kennt die Tradition der Drachen.
Simone Weiss ist eine Freundin der Drachen.
Peter Rinnerthaler verweist auf chinesische Drachen.
Heidi Lexe rides and kills the dragon.
Kiss him, kill him, ride him or let's be friends?!
Schon seit Monaten drehte sich in der STUBE alles nur noch um den Evergreen unter den phantastischen Fabelwesen. Im Rahmen des STUBE-Freitags am 29. 1. 2016 konnte er schließlich in all seiner Pracht und Vielschichtigkeit analysiert werden: der Drache.
Einführend beschäftigte sich Kathrin Wexberg aus historischer Perspektive mit Darstellungs- und Tradierungssformen des geschuppten Feuerspeiers. Dabei stellte sie fest, dass teils verblüffende Ähnlichkeiten zwischen historischen Drachendarstellungen und zeitgenössischen Kinderbuchcovern zu erkennen sind. Zudem führte Kahtrin Wexberg in die Drachentypologie Burkard Sievers ein, die für den inhaltlichen Teil der Veranstaltung strukturgebend sein sollte.
Die erste und sicherlich brutalste Kategorie übernahm Heidi Lexe. Sie berichtete von einer Vielzahl an Drachenerzählungen, die den Vorsatz haben: You have to kill him. Dass den Drachen in zeitgenössischen Adaptionen aber nicht immer der Kopf abgeschlagen werden muss und es zu zahlreichen humoristischen Brüchen innerhalb des Drachentötermotivs kommt, war eine erheiternde Erkenntnis, die im Kinohit "Drachenzähmen leicht gemacht" ihren Höhepunkt findet.
Daran anschließend widmete sich Simone Weiss jenen Drachen, die zum Freund bzw. zur Freundin des Menschen werden dürfen, müssen oder können. Diese Kategorie Drache fand sie in älteren Werken, zum Beispiel bei Mira Lobe und Susi Weigels "Ingo und Drago", ebenso wie in populären Formen der Gegenwart, die die Liebenswürdigkeit der (noch) kleinen Drachen betonen. Etwa dann, wenn Harry Potters Hagrid beim Anblick eines Drachenbabys ins Schwärmen kommt: "Isn't he beautiful? Oh, bless him! Look! He knows his mummy! Hallo, Norbert!"
Weniger niedlich, aber umso weiser gaben sich die Drachen-figuren, denen sich Peter Rinnerthaler in der Kategorie der Chinesischen Drachen widmete: Darunter befanden sich sprechende Drachen, die mehr oder weniger hilfreiche Tipps für die kindlichen Protagonisten bereithalten, Drachen, die mit weniger Rat, aber mehr Tat zur Hilfe kommen und skurrile Drachengestalten, wie der kleine, wortgewaltige Mushu aus dem Kinofilm "Mulan" oder Michael Endes "Frau Mahlzahn", die ihren Schüler*innen das Fürchten anstelle des Lernens beibringt.
Abgerundet wurde die Drachenkategorisierung von Heidi Lexe, die sich der sogenannten Science-Fiction-Form beispielhaft annäherte: "Ride him" lautete abschleßend die Devise. Wie aufregend sich die Funktion des Fliegens darstellen kann, zeigte sie in Filmausschnitten, fiktionalen Drachenskizzen sowie Lexikonartikeln, die den reitenden Protagonist*innen eines ermöglichen: phantastische Abenteuer auf den Rücken der noch nicht ganz gezähmten Drachen.
Die besprochenen Drachenbeispiele sind in der >>>Literaturliste versammelt.
Über 40 Besucher*innen standen im Bann der Drachen.
Prof. Birgit Dankert fühlte auch Michael Endes Drachen auf den (Mahl) Zahn.
Michael Ende: Gefangen in Phantásien
Prof. Birgit Dankerts Biografie über Michael Ende war kurz vor dem STUBE-Freitag erschienen und daher ein passender Anlass über den Autor und dessen Drachen zu sprechen. Prof. Dankert erzählte eingangs über die Begegnungen mit Endes Freunden aber auch ehemaligen Feinden und deren reflexiven Blick auf den Erfinder von Jim Knopf und Co.
Mit einem Drachenbestiarium fuhr sie fort und zeigte, dass zwar Fuchur der bekannteste, aber nicht der einzige und wahrscheinlich auch nicht der interessanteste Drache in Michael Endes Werk war: denn Birgit Dankert sprach auch von Nepomuk dem Halbdrachen und dessen Bedeutung im Kontext des Nationalsozialismus oder von Frau Mahlzahns Referenzen zu Endes eigener Bildungsbiografie.
Im Kontext des Drachen verwies sie auf Fuchur und welche schwerwiegende Bedeutung die Verfilmung der "Unendlichen Geschichte" in Michael Endes Leben hatte. 9 Mio. verkaufte Bücher, 40 Lizenzen und den daraus resultierenden Kinohit betitelte Birigt Dankert als Glanz und Niederlage. Denn die Filmemacher griffen entscheidend in die Erzählung ein, Prozesse wurden geführt und Michael Ende und dessen Frau blieben enttäuscht zurück.
Bessere Tage erlebte der Autor laut Prof. Dankert schließlich wieder durch die Rezeption in Japan. Jenes Land in dem Endes Vortrag zur "Ewigen Kindheit" großen Anklang fand und jenes Land, in dem eine Gesamtausgabe erschienen ist, auf die man im deutschsprachigen Raum immer noch wartet.
Die Biographie zu Michael Ende ist im Lambert Schneider Verlag erschienen.
Birgit Dankert richtete den Blick auf Michael Ende und dessen Drachenbestiarium.
Ernst Seibert war nicht nur in Feier- sonder auch in Moderationslaune.
Zum 70. Geburtstag von Ernst Seibert ...
... veranstaltete das STUBE-Team ein Fest im Anschluss an den inhaltlichen Teil des STUBE-Freitags. Schon während der Vorträge kam es zu spontanen, flashmobartigen Szenen, die sich auf die Meilensteine in Ernst Seiberts Forschung bezogen: Plötzlich brachen Begriffe wie "periphere Genese" aus jungen Menschen heraus; das konzentrierte Publikum ließ sich nicht ablenken. Doch als ein mit einer Sprühkerze und Sachertorte bewaffneter Mitarbeiter den Vortrag stürmte, blieb dem Team nichts anderes übrig, als zum feierlichen Akt überzugehen.
Eine illustre Runde, die sich aus der Verlagsbranche (Inge Cevela, Katrin Feiner), dem Institut für Jugendliteratur (Barbara Burkhardt, Franz Lettner), der Universität (Ulrike Eder, Wynfried Kriegleder, Sonja Schreiner), der Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung (Susanne Blumesberger, Kerstin Gittinger, Gunda Mairbäurl, Peter Schneck) und aus dem künstlerischen Bereich (Angelika Kaufmann, Winfried Opgenoorth, Renate Welsh, Lisbeth Zwerger) zusammensetzte, feierte mit Ernst Seibert in den Abend hinein. Sogar Grußworte von befreundeten, deutschen Universitäten erreichten die STUBE. So konnte Heidi Lexe feierliche Würdigungen von Gabriele von Glasenapp (Aleki Köln), Ute Dettmar (Universität Frankfurt) und Caroline Roeder (PH Ludwigsburg) dem sichtlich gerührten Geburtstagskind vorlesen.
Das STUBE-Team wünscht alles Gute zum Geburtstag und bedankt sich bei Ernst Seibert sowie bei allen Beteiligten sehr herzlich für das feine Fest!
"Das Fest". Impressionen von Ernst Seiberts Geburtstagsfeier in der STUBE.